Ist’s an Silvester hell und klar, ist am nächsten Tag Neujahr.

Auf die Ankündigung folgte die Konsequenz. Wer sich wunderte, dass beim Spiel gegen Mainz 05 der Capo gemütlich seine Zigarette rauchte, anstatt wie stets ein „Rasenballsport olé“ anzustimmen und auch noch kurz nach Anpfiff etwa 100 Leute aus der Mitte des Blocks 28 das Stadion verließen, der konnte wenig später auf der Website der Red Aces Folgendes erfahren:

„[E]inige Menschen aus der aktiven Fanszene bekamen Hausverbote per Post zugesandt, die ihnen einen weiteren Besuch [in derRed-Bull-Arena] untersagen. Die betreffenden Menschen wurden heute vor den Toren des Sektor Bs noch einmal mündlich darüber in Kenntnis gesetzt.“ Aus Solidarität mit den Ausgesperrten verließen die 100 Personen aus Block 28 das Stadion.

Kennt er zur Genüge aus Hamburg.

Vor den Augen des Fanbeauftragten, vormaliger Arbeitgeber HSV, schwelte im September der erste Rauchtopf in der Geschichte des Rasenballsportvereins zu Leipzig. Der Block war nicht voll, der Qualm verzog sich zügig, gefährdet wurde niemand.

Im November gab es dann auf dem Fanmarsch in Salzburg mehrere Handfeuer sowie einen Rauchtopf vor Beginn des Spiels. Dieses Mal war der Block gut gefüllt, der rauchende Topf stand aber nicht im, sondern vor der Absperrung zum Block. Damit wollte man den Derbycharakter des Spiels offenbar unterstreichen.

Es gab via Facebook sogar eine Ansage von einem der Capos, dass es beim Spiel gegen „Scheiß Red Bull Salzburg“ keinen Platz für „Fanfreundschaften oder Bullen müssen zusammenhalten“ geben dürfe. Warum man gegen die netten Ösis den Kamm so aufstellen muss, erschließt sich uns nicht. Vielleicht hat man die Niederlage schon geahnt.

Beim Spiel der zweiten Frauenmannschaft in der Teichstraße in Connewitz gegen die Rote-Sterne-Ladies haben einige Fans einen Spieltag gegen Sexismus ausgerufen.

Das Zeichen, das man gegen die Diskriminierung von Frauen im Stadion setzen wollte, wurde untermalt oder bekräftigt durch das Schwenken von bunten Handfeuern.

Die Aktion war mit den Verantwortlichen vor Ort abgesprochen. Der Rote Stern sieht den Umgang mit Pyro locker. Schließlich hat man einen großen Platz, auf dem der Rauch ungehindert abziehen kann und niemanden gefährdet oder stört.

„Pyrotechnik ist kein Verbrechen“

Der Teil der Fans, die sich als „aktive Fanszene“ verstehen, verteidigen den Einsatz von Pyrotechnik. Ähnlich wie Choreografien sind Feuerwerk und Pyrotechnik für sie ein Mittel, um Ästhetik, bunte Farben und das Fansein an sich hervorzuheben.

Im Wettstreit mit anderen Fangruppierungen geht es dabei stets darum, wer die gelungenere, aufwendigere und kreativere Idee für eine Aktion hat. Dies betrachtet man als wesentlicher Teil der Unterstützung der eigenen Mannschaft, des Vereins und der Stadt.

Nur zuschauen is‘ nich‘.

Aktiver „Support“ muss es sein. Für diese Art der Unterstützung muss man enorm viel Zeit und Geld aufwenden – und Risiken eingehen. Wer dabei rote Linien übertritt und identifiziert werden kann, erhält Haus- oder gar Stadionverbote in den Stadien der Bundesrepublik.

Für den ultraaffinen Teil einer jeden Fanszene geht es nicht ohne dieses Risiko. Gewissermaßen gehört das Katz-und-Maus-Spiel mit Ordnungshütern für jede aktive Gruppe dazu, denn man betrachtet sich selbst als rebellisch. Ultras entstanden ja auch als Gegenbewegung zu den als zu passiv empfundenen Zuschauern.

Doch ihr Auftreten widerspricht dem Rebellentum im Grunde. Meist in schwarz gekleidet, ausgestattet mit einschlägigen Szenemarken und sportlicher Funktionskleidung tritt man einheitlich, um nicht zu sagen, konformistisch auf. Der Blockwart gibt den Takt und den Rhythmus vor, die Gesten und Lieder sind einstudiert – eigentlich alles andere als spontane Reaktionen auf das Geschehen auf dem Rasenplatz.

Die „Kurvenrebellen“ (Christoph Ruf) sind zudem sehr hierarchisch gegliedert. Man muss sich erst beweisen ehe man in den harten Kern vorstößt. Verstöße gegen die Gruppendisziplin werden innerhalb der Gruppe geahndet.

Dass sie dabei als Banden auftreten, sich Anleihen bei Autonomen nehmen, um der Identifizierung durch Ordnungshüter zu entgehen und auch die eigene Vereinsführung kritisieren oder gar ablehnen, macht sie für Verantwortliche in Verein und Verbänden per se verdächtig. Unabhängig davon, ob sie bei einzelnen Aktionen nun bedachtsam oder rücksichtslos vorgehen.

Oliver Mintzlaff kündigte nach dem Spiel gegen Salzburg an, rigoros gegen die Pyrofreunde vorzugehen und versprach harte Strafen. In Salzburg ging man aber offenbar zu geschickt vor, um sich trotz der vielen Kameras dabei filmen zu lassen. Man verbarg den Rauchtopf zunächst unter einem großen Banner wie die Berliner Ultras bei dem Spiel in Dortmund, das die Ordnungskräfte veranlasste die Berliner Zaunfahne einzukassieren – das Heiligtum der Ultras.

Dafür mussten nun zwei Aktivisten ein Hausverbot für die Red-Bull-Arena hinnehmen, die möglicherweise bei den Aktionen in Sinsheim und Salzburg gar nicht beteiligt waren. Im Nachgang zum Spiel in der Connewitzer Teichstraße identifizierte der Verein zwei mutmaßliche Pyromanen. Die Vereinsführung betrieb eigene Recherche, vermutlich auch durch die Fanbeauftragten, und bestraft nun mit symbolischer Härte.

Da Stadionverbote durch den DFB nur vom gastgebenden Verein beantragt werden können und der Rote Stern daran kein Interesse, bleibt es beim Hausverbot. Die Vorgehensweise ist fragwürdig. Die Konsequenz der Strafe ist es hingegen nicht.

Die Klubführung in Leipzig will offensichtlich gar nicht erst zulassen, dass sich Gruppen im Stadion bilden, die sich zu sehr der Ultrasubkultur verschreiben. Die Kontrolle über die Entwicklung der Fanszene will man auf jeden Fall behalten. Da reagiert man auch mal empfindlich oder überzogen, wenn sich etwas in unkontrollierbare Bahnen zu entwickeln droht. 

Man kann leider bei viel zu vielen Vereinen beobachten, dass die Ultras dort Probleme machen, andere Stadionbesucher abschrecken, teilweise zu Gewalt neigen und sich selbst als Avantgarde der Fanszene betrachten. Insbesondere in Leipzig, aber auch im weiteren Umfeld (Dresden, Cottbus, Jena, Magdeburg) gibt es bekanntermaßen sehr unschöne Ereignisse und Aktionen von ultraaffinen Anhängern. Das will der Verein, dessen Image auf Familienfreundlichkeit und Fußballliebe besonderen Wert legt, unterbinden, bevor es entstehen kann.

Die Red Aces und Fraktion Red Pride betonen, dass der Verein von Beginn an Probleme mit aktiven Fans hat, die sich auch zu umstrittenen Positionen äußern wollen und sich politisch betätigen. Sie unterscheiden sich zwar in ihren Positionen deutlich von Gruppen anderer Vereine von Erfurt bis Rostock.

Man hätte es bei der Aktion, bei der sogar die beiden Mannschaften zusammen die Tapete auf den Platz trugen, auch belassen und sich über eine gelungene Aktion freuen können.

Aber in Anbetracht der Gesamtschau der Aktionen von Ultragruppen, wäre ein laxer Umgang oder gar Toleranz das falsche Signal des Vereins. Unbestreitbar ist, dass gerade die Fangruppierungen der Vereine für Probleme sorgen, die ihre Aktionen häufig mit Pyrotechnik garnieren.

In der Teichstraße wähnte man sich sicher, weil es abgesprochen war und die Anhänger der Sterne ihre Zustimmung zum Ausdruck brachten.

Aber für die Verantwortlichen am Cottaweg, die lieber fußballbegeisterte Familien als zum Aktivismus neigende Stürmer und Dränger im Stadion sehen wollen, war es die richtige Maßnahme. Nun weiß jeder, wie der Verein unliebsames Handeln im Stadion zu ahnden gedenkt.

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